Abendblatt berichtet über Taximarkt in Corona-Zeiten

Hamburgs auflagenstärkste Zeitung hat in einem ganzseitigen Artikel die aktuelle Situation des lokalen Taximarkts beleuchtet. Der HTV – Hamburger Taxenverband e.V. dokumentiert den Artikel, in dem der HTV-Vorsitzende Clemens Grün u.a. zur Hamburger Verkehrspolitik zitiert wird.

Corona-Krise: Hamburger Taxifirmen legen fast jeden vierten Wagenstill

Pandemie trifft Gewerbe hart: Mehr als 40 Betriebe haben ganz aufgegeben. Noch immer fehlen bis zu 70 Prozent des Umsatzes.

Die meisten Hamburger werden während der Wochen mit den höchsten Corona-Infektionszahlen wohl kaum darauf geachtet haben. Wer aber in dieser Zeit bewusst nach Taxis Ausschau gehalten hätte, dem wäre aufgefallen, dass erheblich weniger von ihnen im Straßenbild zu sehen sind als üblich. Dabei ließen die Betreiber sie nicht etwa nur ungenutzt auf dem Privat- oder Firmenparkplatz stehen. Im Mai war mehr als jedes dritte der gut 3100 Hamburger Taxis offiziell „vorübergehend von der Betriebspflicht entbunden“, also zeitweise stillgelegt.

Taxiunternehmer können diesen Status bei der zuständigen Behörde für Verkehr und Mobilitätswende beantragen und auf diese Weise die Beiträge für die Autoversicherung spürbar reduzieren, um die wirtschaftlichen Belastungen durch die Krise abzumildern. Selbst jetzt noch, im Juli, lassen die Betreiber nach Angaben der Behörde die Lizenz für fast 700 Taxis ruhen; damit ist immerhin annähernd jedes vierte der Fahrzeuge mit dem gelben Zeichen auf dem Dach aktuell nicht in Betrieb.

„Jedes Taxi, das nicht auf der Straße ist, hilft den Betreibern, die weiter unterwegs sind“, sagt Clemens Grün, Vorstand des Hamburger Taxenverbands (HTV). Denn auch im Juli fehlen nach seiner Schätzung noch immer mehr als 50 Prozent der über Taxizentralen und über Apps vermittelten Fahrten. Bülent Aktas, der Vorsitzende des Landesverbands Hamburger Taxiunternehmer (LHT), spricht sogar von Einbußen zwischen 60 und 70 Prozent. „Unser Geschäft ist stark abhängig von Großveranstaltungen wie Messen, Musicals, Open-Air-Konzerten oder Fußballspielen“, sagt Aktas. „Die Hotels sind leer, es gibt im Moment nur wenige Hamburg-Besucher aus dem Ausland. Aber auch Bars und Clubs haben weiter geschlossen – es fehlt das ganze Nachtleben.“

Dabei habe die Zahl der Taxis, die in Hamburg tatsächlich auf Fahrgäste warten, noch stärker abgenommen, als die offiziellen Zahlen zeigen, erklärt Aktas: „Einige Kollegen fahren wegen des schwachen Geschäfts derzeit nur drei oder vier Stunden am Tag.“ Mehr als 40 Betriebe haben seit März komplett aufgegeben. „Manche haben Insolvenz angemeldet, und andere versuchen, einen Job in anderen Branchen zu finden, aber die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist generell nicht gut“, sagt der LHT-Vorsitzende: „Es würde mich nicht wundern, wenn in den nächsten Monaten noch weitere Betreiber vom Markt verschwinden.“ Denn selbst wenn keine zweite Corona-Welle komme, „wird es bestimmt noch ein Jahr dauern, bis wir wieder bei einem Normalbetrieb angekommen sind“, glaubt Aktas.

Weit mehr als die Hälfte der Hamburger Taxis gehört Selbstständigen, die nur ein einziges Fahrzeug unterhalten. „Etliche von ihnen sind gezwungen, Hartz IV zu beantragen“, sagt Clemens Grün. Wer seine Familie mit den Erträgen aus dem Taxibetrieb ernähren müsse, versuche derzeit, möglichst viele Fahrten zu ergattern, die nicht über Apps oder die Zentralen hereinkämen – also etwa Touren am Flughafen, am UKE oder an belebten Straßen wie dem Jungfernstieg. Größere Taxibetriebe hingegen nutzen nach der Beobachtung von Grün eher die Möglichkeit, Lizenzen für einen Teil ihrer Autos vorübergehend ruhen zu lassen und die angestellten Fahrer in die Kurzarbeit zu schicken.

In sehr vielen der Taxis, die weiter im Dienst sind, ist inzwischen eine Kunststoffscheibe zwischen vorderer und hinterer Sitzreihe eingebaut worden. Der Aufwand von rund 100 Euro pro Fahrzeug war „überschaubar“, so Grün, zudem gibt es dafür eine staatliche Förderung – ganz abgesehen davon, dass die vergleichsweise niedrigen Diesel-Preise für eine gewisse Entlastung der corona-gebeutelten Taxiunternehmer sorgen.

Kaum ein Trost ist es dagegen für Grün, dass die neuen Konkurrenten des Taxigewerbes, also die Betreiber von Mietwagen mit Fahrer, mindestens ebenso hart von der Corona-Krise getroffen wurden wie seine Kollegen: „Bei Konzernen, die mit Millionen oder gar Milliarden um sich werfen, hält sich mein Mitleid in Grenzen“, sagt der HTV-Vorstand – und meint damit den Autohersteller VW, dem der Sammeltaxidienst Moia gehört, sowie den Fahrservice Uber aus den USA. Von Anfang April bis Ende Mai hatten die schwarz-goldenen Elektro-Kleinbusse von Moia den regulären Betrieb in Hamburg gänzlich eingestellt.
Taxiunternehmer kritisiert den Volkswagen-Konzern

Volkswagen solle sich besser auf das Kerngeschäft konzentrieren, anstatt den Taxis Konkurrenz zu machen, findet Grün: „Wir würden ja gern umwelt­schonendere Fahrzeuge beschaffen. Aber Erdgas-Autos für unsere Branche hat VW aus dem Programm gestrichen, und Elektroautos, die dem harten Taxibetrieb standhalten, bietet man uns gar nicht erst an.“

Verbandsvorstand Grün ist im Hinblick auf die neue Konkurrenz durch Fahrdienste wie Moia aber auch unzufrieden mit der bisherigen Position des Senats, der mit dem VW-Konzern eine „Mobilitätspartnerschaft“ vereinbart hat. Die Hamburger Wirtschaftsbehörde, die bis zum Beginn der aktuellen Legislaturperiode auch für Verkehrsangelegenheiten zuständig war, habe „eher Indus­triepolitik als Verkehrspolitik“ gemacht, sagt Grün.

Aus seiner Sicht konzentrieren sich die Fahrdienste auf „lukrativen Strecken“ in dicht besiedelten Stadtteilen – da, wo jedoch auch die Versorgung durch den öffentlichen Nahverkehr gut ist. „Genau da, wo die neuen Mobilitätsangebote Sinn machen könnten, findet man sie in der Regel aber nicht“, so Grün: „Bewohner von Neubaugebieten am Stadtrand zur nächsten S- oder U-Bahn-Station zu fahren, damit man dafür nicht das eigene Auto nehmen muss, wäre zweifellos verkehrspolitisch sinnvoll.“

Grün hofft, dass die neue Behörde für Verkehr und Mobilitätswende die „Versorgungssicherheit“ der Hamburger im Blick hat – und er setzt darauf, dass die Corona-Pandemie die Struktur des Taxigewerbes in der Hansestadt nicht grundlegend ändert. Denn, so argumentiert der Verbandsvorstand: „Selbst fahrende Taxiunternehmer sind maximal flexibel, weil sie nicht an ein Arbeitszeitgesetz gebunden sind. Schließlich muss auch mitten in der Nacht von einem Dienstag auf einen Mittwoch mal jemand mit dem Taxi in die Klinik gefahren werden.“

(Hamburger Abendblatt 15.07.20, S.7 Autor: Volker Mesters)

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Artikel als PDF: 2020-07-15 Abendblatt: Corona-Krise – Hamburger Taxifirmen legen fast jeden vierten Wagen still

Original-Artikel bei Abendblatt.de: https://www.abendblatt.de/wirtschaft/article229519280/Hamburg-Taxis-Stilllegung-Moia-Verkehr-Grossveranstaltungen-Corona-Messe-Preise-Taxifirmen.html