HTV – Hamburger Taxenverband e.V
POSITIONSPAPIER: Arbeitnehmer-Schutzgesetze im Taxengewerbe anwenden, einhalten und kontrollieren
Das Positionspapier „Arbeitnehmer-Schutzgesetze im Taxengewerbe anwenden, einhalten und kontrollieren“ wurde heute in seiner Schlussfassung veröffentlicht. Es ist die Stellungnahme des HTV auf die Themen der Veranstaltung in der „Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation“ (BWVI) am 20.1.2012. Der Entwurf des Vorstandes wurde erst im Forum zur Diskussion gestellt und danach redaktionell überarbeitet.
„Arbeitnehmer-Schutzgesetze im Taxengewerbe
anwenden, einhalten und kontrollieren“
(27. Februar 2012)
Am 20. Januar 2012 erläuterten die Herren Werner, Ritter u.a. von der Hamburger Verkehrsgewerbeaufsicht (in der Hamburger Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, BWVI) sowie Herr Hellbach u.a. vom Amt für Arbeitsschutz (AfA in der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) den Vertretern des Hamburger Taxengewerbes folgende Rechtspositionen im Hinblick auf die gängige Praxis des Umgang mit angestellten Taxifahrern:
1. Das „Gesetz über das Fahrpersonal von Kraftfahrzeugen und Straßenbahnen“ (Fahrpersonalgesetz, FPersG), insbesondere „§ 3 Verbot bestimmter Akkordlöhne, Prämien und Zuschläge“, ist für angestellte Taxifahrer anzuwenden. Danach sind die heute üblichen Fahrerlöhne auf Provisionsbasis rechtswidrig.
2. Das vielfache Vorenthalten der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist rechtswidrig.
3. Das vielfache Vorenthalten der Lohnfortzahlung im Urlaubsfall ist rechtswidrig.
4. Gesetzliche Regelungen zum Schutz von Arbeitnehmern sind im Hamburger Taxengewerbe künftig ohne Abstriche einzuhalten. Dieses gilt insbesondere, aber nicht nur für die Einhaltung des „Arbeitszeitgesetzes“ (ArbZG) samt der dort enthaltenen Vorschriften zu Höchstdauer von Arbeitsschichten und der Planung und Gewährung von Arbeitspausen sowie die Einhaltung des „Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer“ (BurlG).
5. Die Verkehrsgewerbeaufsicht kündigt an, ab sofort, auch im Rahmen der Konzessionsverfahren und hier insbesondere bei den Konzessionsverlängerungen, die Einhaltung der genannten Gesetze zu prüfen.
6. Das „Amt für Arbeitsschutz“ bietet alternativ an:
a) Beratung mit Vertretern des Hamburger Taxengewerbes zur rechtskonformen Ausgestaltung der betrieblichen Praxisoder
b) Durchführung eines Musterprozesses über die Anwendbarkeit der FPersG (insbesondere auf die Rechtmäßigkeit eines Verbots von Provisionslöhnen)
Zu diesen Punkten nimmt der HTV – Hamburger Taxenverband e.V. wie folgt Stellung:
1. Der HTV – Hamburger Taxenverband e.V. begrüßt die rechtlichen Klarstellungen durch die genannten Behörden und Ämter und unterstützt deren Rechtspositionen ausdrücklich. Der HTV erwartet nunmehr von der „Verkehrsgewerbeaufsicht“ und dem „Amt für Arbeitsschutz“ ein entschiedenes Durchgreifen gegen die bekannt gewordenen zahllosen Rechtsverstöße zu Lasten von angestellten Taxenfahrern im Hamburger Taxengewerbe. Der HTV wird eigene Daten erheben zu den diesbezüglichen Rechtsverstößen von Hamburger Taxenunternehmern mit angestellten Taxifahrern und diese bei Bedarf der „Verkehrsgewerbeaufsicht“ und dem „Amt für Arbeitsschutz“ zur Verfügung stellen.
2. Der HTV – Hamburger Taxenverband e.V. ermuntert die genannten Behörden, sich bei der konsequenten Durchsetzung nicht von Drohungen mit Insolvenzen und Arbeitsplatzabbau beirren zu lassen. Das Taxengewerbe war schon früher nicht in der Lage, sich selbst aus dem Morast von vielfachen Rechtsverstöße zu befreien, und das Taxengewerbe ist es auch heute noch nicht. Es bedarf vielmehr des konsequenten Durchgreifens von Behörden und Ämtern, um wieder zu einem fairen Wettbewerb untereinander und zu wirtschaftlich gesünderen Verhältnissen in der von Überkapazitäten geprägten Branche zu gelangen. Bei der Fortschreibung des „Hamburger Modells“ sind Effekte von Marktbereinigungen unumgänglich, also hinzunehmen. Derzeit wird qualifiziertes Personal von einer Mischung aus schlechter Bezahlung, frühkapitalistischer Rechtlosigkeit und fehlenden Perspektiven abgeschreckt. Herrschen auch im Taxengewerbe erst einmal normale und geordnete Verhältnisse, braucht sich künftig niemand mehr Sorgen um qualifiziertes Personal zu machen – auch nicht im Hinblick auf die Visitenkarten-Funktion gegenüber auswärtigen Geschäftsleuten und der stetig steigenden Zahl von Touristen in unserer Stadt.
3. Der HTV – Hamburger Taxenverband e.V. schlägt eine automatisierte technische Kontrolle zur Vermeidung der bisher zahllosen Rechtsverstöße zu Lasten angestellter Taxenfahrer im Themenkomplex „Arbeitszeit“ vor. Hierzu sollen insbesondere die technischen Möglichkeiten moderner Taxameter genutzt werden, ggf. ergänzt um Fahrerkarten (analog Tachoscheibe).
4. Der HTV – Hamburger Taxenverband e.V. fordert die BWVI (Verkehrsgewerbeaufsicht) und die BGV (Amt für Arbeitsschutz) auf, die nunmehr erkannten zahlreichen Rechtsverstöße im Hamburger Taxengewerbe im Hinblick auf rechtswidrige Provisionslöhne, Nichtzahlung von Lohnfortzahlungen im Krankheits- und Urlaubsfall, flächige, teils grobe Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz u.a. konsequent zu verfolgen, damit der teils ruinöse Wettbewerb auf den Rücken sowohl angestellter Taxifahrer als auch alleinfahrender Taxiunternehmer beendet wird. Aus Gründen der Praktikabilität und der Gleichbehandlung kann sich der HTV eine Stichdatums-Regelung vorstellen. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen „Verkehrsgewerbeaufsicht“ und „Amt für Arbeitsschutz“ gemeinsam mit den Taxengewerbe-Verbänden und anderen in Frage kommenden Institutionen (z.B. Berufsgenossenschaft, Gewerkschaft ver.di etc.) eine
Aufklärungsoffensive im hiesigen Taxengewerbe durchführen. In der Zeit bis zu dem Stichdatum sollte bei erkannten Verstößen gegen die genannten Gesetze regelhaft Nachbesserungen mit ausreichender Fristsetzung eingefordert und ansonsten ohne Buß- oder sonstige Strafgelder agiert werden. Bei groben und umfangreichen Verstößen sollte allerdings auch schon vor dem Stichdatum vor Bußgelder und/oder konzessionsrechtlichen Konsequenzen nicht zurückgeschreckt werden. Als Stichdatum schlagen wir den 1.10.2012 vor. Ab diesem Stichdatum sollte anlassunabhängig top-down geprüft werden, also von den großen Mehrwagenbetrieben zu den kleineren und zum Schluss die Einwagen-Unternehmer mit angestellten Fahrern.
5. Der HTV – Hamburger Taxenverband e.V. erwartet von der Leitung der BWVI, namentlich von Herrn Senator Horch und Herrn Staatsrat Dr. Egert, für eine Zeit von mindestens zwei Jahren der Verkehrsgewerbeaufsicht zwei zusätzliche Vollzeit-Stellen zuzuweisen, um den absehbar drastisch ansteigenden Kontroll-Bedarfen im Hamburger Taxengewerbe Herr zu werden. Dass sich die zusätzlichen Stellen vollständig selbst refinanzieren, weil die verstärkten Kontrollen absehbar zu schnellerer Beschaffung der Online-Taxameter und damit schon zeitnah zu vollständigeren, also höheren Steuereinnahmen aus dem Hamburger Taxengewerbe führen, soll nur der Vollständigkeit halber angemerkt werden.
6. Der HTV – Hamburger Taxenverband e.V. begrüßt die Ankündigung der Verkehrsgewerbeaufsicht, auf ihren Internetseiten einen „Musterarbeitsvertrag“ zu veröffentlichen, der rechtliche Unklarheiten bei Taxenunternehmern und bei ihnen angestellten Taxifahrern klären hilft. Der HTV nimmt die explizite Einladung der Leitung der Verkehrsgewerbeaufsicht, namentlich von Herrn Werner und Herrn Ritter, an und beteiligt sich gerne an der Erarbeitung dieses „Mustervertrages“. Dabei wird der HTV Sorge dafür tragen, dass neben den berechtigten Interessen der Unternehmer auch die legitimen Rechte der abhängig Beschäftigten berücksichtigt werden. Für die abhängig Beschäftigten wird der HTV einen solchen Musterarbeitsvertrag durch kompetente Dritte wie die Gewerkschaft ver.di prüfen lassen. Da der HTV als einziger Hamburger Verband selbstständige und angestellte Taxifahrer zu seinen Mitgliedern zählt, fühlt sich der HTV in besonderer Weise zu ausgleichender Gerechtigkeit in einem solchen „Musterarbeitsvertrag“ verpflichtet.
7. Der HTV – Hamburger Taxenverband e.V. sieht in den beschriebenen Maßnahmen und Vorgehen den einzigen Weg, dem Hamburger Taxengewerbe eine auf den gesetzlichen Grundlagen beruhende Existenz zu sichern und das Gewerbe nachhaltig von seinem bisherigen, überwiegend negativen Image zu befreien. Der HTV sieht die dringende Notwendigkeit, auf diesem Weg das Taxengewerbe neu zu strukturieren und seine den Menschen unserer Stadt dienenden Funktion, als Teil des ÖPNV, endlich auf eine solide steuer- und arbeitsrechtliche Basis zu stellen.